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  • AutorenbildChristoph Meyer

Die Sehnsucht nach dem Meer


Wenn man auf deutschen Tennisplätzen Kinder und Jugendliche beim Training oder bei Turniermatches beobachtet, dann kann man sich manchmal die Frage stellen, weshalb sie überhaupt Tennis spielen. Mal beobachtet man Lustlosigkeit, mal fehlende Leidenschaft oder Lernbereitschaft und manchmal merkt man, dass die Eltern wohl mehr Interesse am Sport haben als der Nachwuchs. Viele Kinder und Jugendliche trainieren und spielen Tennis eine lange Zeit, obwohl sie eigentlich gar keine wirkliche Lust daran haben, aber sie wurden halt irgendwann mal angemeldet und der Schritt einfach zu sagen, dass man lieber ein anderes Hobby ausprobieren würde, erscheint manchmal vielleicht zu schwer.

Auch aus Trainersicht ist es nicht unbedingt optimal, wenn der Trainer motivierter ist als der Schüler. Das ist aber heutzutage leider kein Einzelfall. Woran kann das liegen, wie kann man es ändern und warum gibt es auch genug positive Beispiele von Kindern und Jugendlichen, die den Tennissport lieben und sich intensiv damit auseinandersetzen?

 

Klar, nicht jeder entwickelt die gleiche Leidenschaft für einen Sport und nicht jeder hat leistungssportliche Ziele, aber ist es nicht komisch, wenn einem die Kinder in der Trainingsgruppe jeden Spieler der Fußballnationalmannschaft aufzählen können, aber nicht wissen, wer in ihrer eigenen Sportart die Nummer 3 der Welt ist, wie die vier Grandslams heißen oder wie genau die Regeln eigentlich sind? Ein bisschen Interesse an der eigenen Sportart sollte eigentlich erwartet werden, muss aber auch von den Eltern, dem Trainer usw. gefördert werden.

"Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer." Dieses Sprichwort von Antoine de Saint-Exupéry spiegelt vielleicht etwas wider, was wir als Eltern, Trainer und Vereinsfunktionäre tun müssen, wenn wir möchten, dass sich Kinder und Jugendliche mehr mit dem Tennissport beschäftigen und auseinandersetzen.

 

In den 80ern und 90ern ist der Nachwuchs beim Zappen durch das Fernsehprogramm automatisch beim Tennis hängen geblieben, weil alle wichtigen Turniere im Free-TV in Hülle und Fülle übertragen wurden. So fanden die Kinder Interesse am Tennissport, suchten sich Idole und lernten beim Mitfiebern ganz automatisch nebenbei die Regeln und die Taktik, schauten sich Schlagtechniken und Spielzüge ab. Heute wird außer Fußball leider kaum eine andere Sportart im Free-TV gezeigt. Außer den Australian-, French- und US Open wird nicht viel Tennis im TV gezeigt. Dank tennistv.com und Sky kann man als Insider zwar alle wichtigen Turniere das ganze Jahr über sehen, aber man muss es eben bewusst suchen, auswählen und teilweise bezahlen. Genau diese Möglichkeiten sollten Eltern aber den Kindern geben, wenn sie möchten, dass sie sich mit ihrem Tennis mehr beschäftigen und eine Leidenschaft entwickeln. Und mal ehrlich: Bevor der Nachwuchs die zwanzigste Castingshow sieht, ist Tennis gucken doch wohl eine sinnvollere Beschäftigung :-) Außerdem ist erwiesen, dass beim Anschauen von Tennismatches taktische Grundzüge und Spielweisen unbewusst übernommen und erlernt werden. Bei intensivem Mitfiebern und Vorstellen der Bewegungsabläufe sind sogar minimale Muskelkontraktionen in den entsprechenden Bereichen messbar. Zum Training muss man dann zwar trotzdem noch selbst auf den Platz, denn auf der Couch wurde noch kein Wimbledonchampion entwickelt, aber so schädlich scheint Tennis im Fernsehen ja immerhin nicht zu sein, dass Eltern sich hier sorgen müssten.

Und bietet es sich nicht gerade jetzt besonders an, die Kinder vor den Fernseher zu setzen, wenn die French Open bei Eurosport laufen und wir in Deutschland mit Alexander Zverev die Nummer 3 der Welt haben, der drei 1:2-Satzrückstände noch in 5-Satz-Siege gedreht hat? Da sind doch die 80er und 90er gar nicht mehr so weit entfernt...

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